Als Teil der aktuellen Forschung zu Biegeaktiven Tragstrukturen am Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (ITKE), Universität Stuttgart, untersucht der Pavillon 'Bend9' weiter das Potential von bautechnischen Systemen, die Biegung als gestaltgebende Strategie nutzen. Entwickelt durch Riccardo La Magna, Ingenieur und Forscher am ITKE, während eines Aufenthalts im Pier 9 von Autodesk, konzentriert sich der Pavillon auf einen intelligenten Materialgebrauch für die Konstruktion von komplexen Freiform-Oberflächen. Das Projekt setzt sich speziel mit den Herausforderungen tragender Schalenkonstruktionen auseinander, beliebig in Form und Geometrie, in dem einfach die Eigenschaften der Biegung ausgeschöpft werden. Bend9 präsentiert einen alternativen Konstruktionsansatz, der von den traditionellen Bausystemen abweicht.
Anstatt vorgeformte Elemente zu nutzen, zieht der Pavillon Vorteile aus den Verformungsqualitäten ebener Materialplatten, um die Gesamtform zu erreichen. Die Konstruktionslogik bezieht sich direkt auf die mechanischen Eigenschaften des für das Projekt verwendeten Sperrholzes. Die Gesamtgeometrie ist deshalb das Ergebnis einer genauen Abwägung zwischen den mechanischen Grenzen des Materials und seiner Verformungsfähigkit. Um die starken Verformungen, die Sperrholz erlaubt, ganz auszuschöpfen, musste die Stärke der Platten auf ein Minimum reduziert werden, was zu der radikalen Entscheidung für 3,5 mm Birkensperrholz führte. Die Gesamtform der Schale bringt zusätzliche Steifigkeit, auch hilft die ausgesprochen doppelte Krümmung unerwünschte Verformungen des Pavillons zu vermeiden.
Obgleich es eine sehr elegante Art ist, große Tragstrukturen mit minimalem Materialverbrauch zu bauen, machen hohe Kosten und Komplexität der Herstellung die Anwendung doppelt gekrümmter Komponenten im Ingenieurbau oft unerschwinglich. Die ausgeklügelte Aufbaustrategie des Pavillons beseitigt diese Fragen ganz und reduziert die Schwierigkeit der Herstellung, indem nur auf ebene Komponenten zurückgegriffen wird, welche die ganze doppelt gekrümmte Oberfläche bilden.
Der Pavillon ist nicht länger das Resltat eines Aufbauprozesses vorgeformter Teile, sondern eher das Ergebnis eines Formfindungsprozesses geleitet durch die zugrunde liegende Konsturktionslogik. Die Kachellogik der ersten Mastergeometire garantiert, dass jede Komponente in die spezifische Form gebogen werden kann, die notwendig ist, um die ganze Oberfläche zu konstuieren. Dies wird durch die strategische Platzierung der Öffnungen auf die Zielpositionen der Mastergeomtrie erreicht, um dafür zu sorgen, dass der Biegeprozess ohne Beeinträchtigung der einzelnen Komponenten stattfinden kann. Obwohl ursprünglich flach, erträgt jedes Element multidirektionale Biegung und wird in Position gehalten, wenn die Nachbarelemente dem System hinzugefügt und untreinander verbunden werden. Die biegsamen 3,5 mm Sperrholzelemente erreichen bleibende Steifigkeit sobald sie zusammengefügt sind. wenn der Pavillon, obwohl eine eigenständige Version der ursprünglichen Form, doch die Steifigkeit der Schale bewahrt.
Trotz beträchtlicher Stärke, erreicht durch die Form, mussten die extrem dünnen Sperrholzplatten mit zusätzlichen Mitteln verstärkt werden, um die gesamte Tragfähigkeit zu erhöhen. Deshalb wurde eine zweite Lage angebracht, um den Lastwiderstand zu erhöhen. Um die beiden Lagen zu koppeln, wurden die beiden Sperrholzhäute mit viereckigen Holzprofilen 5 cm x 5 cm verbunden. Da der Abstand twischen zwei Lagen variiert, um das berechnete Biegemoment der vorausgegangenen Analyse der Struktur zu spiegeln, ändert sich der Versatz entlang der Spannweite des Pavillons. Der Versatz reflektiert den Druckzustand der einzelnen Lagen und der Abstand zwischen ihnen wächst in den kritischen Zonen, um den Gesamtwiderstand des Systems zu erhöhen.
Der Pavillon besteht aus 196 Elementen, einzigartig in Form und Geometrie und 76 Verbindungsstücken für eine Gesamtzahl von 156 exklusiven Gehrungsstößen. Die Geometire der Elemente ist das Ergebnis der Auswertung der der Matrialeigenschaften und Verformungsfähigkeit in einem sehr frühen Stadiums des Entwurfs. Trotz der großen Anzahl individueller maßgefertigter Komponenten, war der der ganze Herstellungsprozess einfach zu optimieren, das jedes Element flach geschnitten und auf der Baustelle konfektioniert wurde. Die Herstellung und Aufbau fand auf dem Gelände von Pier 9 in San Francisco statt, wobei die Vorteile der verfügbaren Einrichtungen genutzt werden konnten. Der Pavillon hat eine Spannweite von 5,20 m und zeigt eine auffällige Geometrie, die übergangslos von einem Bereich positiver Krümmung (konvex) in einen Bereich negativer Krümmung (konkav) übergeht. Die ganze Struktur wiegt nur 160 kg, eine Kenngröße, welches die Effizienz des Systems und sein Potential für den Leichtbau betont. Der weiche Übergang der Krümmung und die gesamte Komplexität der Form hebt das Potential der Konstruktionslogik hervor, die auf jede Art von doppelt gekrümmter Freiformfläche angewendet werden kann. Die Natur des Projekts erforderte eine enge Einbindung von Design, Simulation und Herstellungs- und Montageeinschränkungen. Insgesamt veranschaulicht der Bend 9 Pavillon von biegeaktiven Flächentragwerken, die als formbildender Prozess genutzt werden können. Für die aktuelle Forschung dient das Gebäude als erster Prototyp für die Untersuchung flächenartiger Schalentragwerke, die ihre Form durch elastische Biegung erhalten.
Projektteam:
Institute of Building Structures and Structural Design
Prof. Dr.‐Ing. Jan Knippers
Entwurf, Tragwerksplanung und wissenschaftliche Entwicklung:
Riccardo La Magna
Beratung und logistische Unterstützung
Simon Schleicher, Mei‐yen Shipek
Aufbau und Konstruktion
Rex Crabb, Stefanie Hickl, Martin Horn, Riccardo La Magna, Josh Campbell Myers, Gabriel Patin,
Simon Schleicher, Mei‐yen Shipek, Trent Still
In Zusammenarbeit mit
Autodesk, Pier 9